Rund um Köln 2015

“Rund um Köln“   – 69 km Durststrecke –

Nachdem der 1.Mai wegen eines mutmaßlichen Terroristen abgesagt werden musste, sollte nun das Radrennen “Rund um Köln“ mein erstes “richtiges“ Rennradrennen werden.

sportograf-63312607_lowresEigentlich mein Zweites, aber die Velotour Eschborn/Frankfurt, das legendäre Frankfurter Straßenrennen, absolvierte ich im Jahr 2014 ja mit meinem Cyclocross. LINK

Nun hoffte ich mit meinem Rennrad, einem Focus Cayo 1.0, auf eine Steigerung meiner Gesamtzeit. Aufgrund der unterschiedlichen Strecken war es zwar kein direkter Vergleich, aber ich hatte eine Zeitnahme auf einer fast genauso langen Strecke vom Vorjahr. Diese konnte ich, trotz einigen Höhenmetern unterschied, als grobe Richtlinie nehmen.

Ein Arbeitskollege, Thomas und ich wollten eigentlich ein Tag früher nach Köln reisen. Aus organisatorischen und zeitlichen Gründen sollte es einfach nicht sein. So reisten wir morgens in die Karnevalshochburg.

Thomas und ich trafen uns rund 2 km vom Ort des Geschehens entfernt. So hatten wir aber noch eine kurze Strecke um die Technik der Bikes zu testen. Wir machten uns zusammen auf, um unsere Startpakete an der Ausgabe abzuholen. Obwohl schon einiges los war, bekamen wir unseren Transponder und den Starterbeutel schnell ausgehändigt. Dazu waren einige Firmen rund um den Radsport mit am Start. Sie stellten in ihren Pavillons die Neuheiten aus. Skoda, der Hauptsponsor dieses Events sorgte zusätzlich für Stimmung. Rund um verbreitete sich das nötige Rennflair und wir konnten den Start kaum erwarten.

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Wir trafen uns noch mit einem Freund von Thomas. Nachdem meine Partnerin die 2km Strecke vom Auto zum Start/Zielbereich zu Fuß zurückgelegt hatte, mussten wir schon wieder in Richtung Autos aufbrechen. Wir brachten die Startnummer an, ein letzter Check von den Bikes und wir gingen in die Aufwärmrunde.

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Die Zeit verflog förmlich. Da wir alle aus unterschiedlichen Startblöcken starteten, trennten sich nun unsere Wege. Es war schon abzusehen, dass wir uns frühestens im Zielbereich wieder sehen würden. Thomas fand ich erfreulicher Weise direkt gegenüber wieder. So konnten wir uns noch gegenseitig mit flotten Sprüchen aufheizen. Dazu leistete mir meine Partnerin hinter der Absperrung Gesellschaft.

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Der Startschuss fiel! Wie in den letzten Minuten vor dem Startschuss redete ich mir kontinuierlich ein, auf den ersten Kilometern nicht zu viel zu geben. „Kräfte sparen! Gruppe suchen und Windschatten nutzen! In der Gruppe auf die “Wilden“ aufpassen…“

Ich kam ganz gut am Start weg. Wenige Meter nach dem Start führte die Strecke in einen Tunnel. Es wurde immer wieder gewarnt, doch so sehr verengte er sich gar nicht. Man musste nicht so höllisch aufpassen wie vorhergesagt. Da es leicht abschüssig war, bekam man hier schon gutes Tempo drauf.

Schnell fand ich eine kleine Gruppe, an die ich mich zunächst dran hängen wollte. Die wurde mir aber nach kurzer Zeit zu langsam. Ohne Mühe konnte ich mich in der Gruppe halten. Ich schob mich weiter nach vorne und setzte mich bald ab. Natürlich zog ich weitere Kontrahenten mit, die meinen Windschatten zu ihrem Vorteil nutzten.

Kurz darauf konnte ich die nächste Gruppe erreichen. Schob mich erneut weiter nach vorne und setzte mich wieder ab. Schon wurde der Pulk hinter mir wieder größer. Gruppenführer wollte ich natürlich nicht wieder machen. Wer den Bericht vom 1.Mai 2014 kennt, weiß was ich damit meine.

Ich nahm ein wenig Tempo raus. Ich merkte, dass es auf den ersten Kilometern doch schon ganz schön flott voran ging. Mit dem Blick auf die weiteren 60km warnte ich mich immer wieder selbst, das Tempo entsprechend anpassen zu müssen.

Nach etwa 5 km wurde die Straße holprig. Meine Pedale klemmte kurz.  Jedoch konnte ich den Fehler  nicht gleich feststellen. Da ich mitten in einer Gruppe war, hätte ein prüfender Blick nach unten schnell zum Verhängnis werden können. Der Grund sollte aber mit einem Schlag klar werden. Hinter mir schrie ein Mitstreiter laut: „Flasche…!!!“.

Eine meiner Trinkflaschen hatte sich verabschiedet! Nun hatte ich nur noch eine Trinkflasche mit Isotonischem Treibstoff. Mir war klar, dass ich mir meinem letzten Kohlenhydrat-Speicher auf den restlichen 65km entsprechend einteilen musste.

Nun verlief es erst mal unspektakulär. Einmal kamen einzelne Fahrer hechelnd an uns vorbei, dann überholten wir wieder welche. Manche hängten sich mit an unsere Gruppe, manche traten schnaufend in ihren Pedalen und blieben in ihrem Trott.

Es wunderte mich ein wenig, warum einige jetzt schon so sehr am schnaufen waren. Wir waren schließlich erst wenige Minuten nach dem Startschuss auf der Strecke.

Es kam eine andere Gruppe an uns vorbei gerauscht. Da ich noch genügend Luft hatte und sich meine Beine dem Rennen entsprechend aufgewärmt hatten, löste ich mich aus der Gruppe und hängte mich an den schnelleren Zug. Ich profitierte aus dem Windschatten und konnte ohne größere Mühe mithalten.

Natürlich kam der Ehrgeiz in mir auf! Ich schmiedete mit jedem weiterem Kilometer einen Plan, wie ich weitere Plätze gut machen könnte. Das einzige was mich ins straucheln bringen konnte, war die für mich unbekannte Streckenführung.

Nach etwa zehn Kilometer hörte ich wieder jemanden hinter mir schreien: „Flasche…!!!“.

Ich brauchte gar nicht nach unten sehen. Wenige Sekunden zuvor spürte ich, dass etwas an meinem Schienbein vorbei geflogen war.

In Sachen Kraft nachtanken war nun gar nichts mehr drin. Genau so wenig wie ich über den Streckenverlauf wusste, wusste ich ob es unterwegs Versorgungsstationen geben würde. Das sollte wohl ein trockenes Rennen geben! Die glühende Sonne am Himmel und die immer heißer werdenden Temperaturen versprachen mir das gleiche…

Trotz alledem konnte ich mich in der Gruppe halten. Ich schaute immer, dass ich nicht mitten im Pulk fahren musste. Manche Fahrer vergaßen offensichtlich, dass es bei den “Jedermann-Rennen“ kein Pott zu holen gibt. Mit ihrem Gedränge und den internen Hetzjagen in der Menge, werden mehr Stürze riskiert als die es die ganze Sache eigentlich Wert ist. Und was macht es schon…, ob man nun am Ende den achtzigsten, oder dann doch nur den dreiundachtzigsten Platz belegt? Dazu belegt man den Platz erst an der Ziellinie und nicht nach zwanzig Kilometern, noch ziemlich am Anfang des Rennens. Wer trotzdem der Meinung ist, der sollte doch besser die Gruppe anführen. Wobei ich denke, dass dann doch bei den Meisten der Schmalz im Schenkel fehlt.

Die Erfahrung, dass es doch auf der Strecke verdammt eng werden kann, musste ich etwa zehn Kilometer vor dem Ziel machen. Es endete mit massivem Körperkontakt, dazu noch dicht an einem Bordstein.

Mit etwa 45 km/h meinte ein älterer Fahrer mich überholen zu müssen. Er wollte mich entweder seitlich weg drängen, oder zumindest so schneiden, dass ich wesentlich an Tempo verliere. Überholen wäre eigentlich  gar nicht möglich gewesen, da unser Vordermann nicht  mal ein Meter vor uns war. Ist das Fairplay? Oder einfach nur Wahnsinn?

So langsam nahmen die Steigungen zu. Dem Raunen meiner Nebenmänner konnte man entnehmen, dass es langsam auf die Bergwertungen zuging. Auf den nächsten zehn Kilometer kamen die meisten Höhenmeter. Mal mit einer steileren Rampe, mal wieder etwas flacher. Man musste nun schon fester in die Pedalen treten, um seine Position zu halten. Hier trennte sich das erste Mal die Spreu vom Weizen. Die Gruppe zog sich auseinander. Mancher keuchte mehr als zuvor, Andere profitierten aus ihrer Fitness oder gar vom geringeren Körpergewicht und zogen ihr Tempo an. Mein Defizit, mit etwa 95kg liegt meine Schwäche gerade an den Bergwertungen.

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Aber das sollte ja nicht alles sein! Am Ende der zehn Kilometer kam eine weitere Herausforderung. Der steilste Anstieg mit etwa 20% Steigung. Dazu Kraftzerrendes ruppiges Kopfsteinpflaster!

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Trotz der Durststrecke konnte ich hier einiges rausholen! Ich überholte einige Mitstreiter meiner Gruppe.  Zum Ende der kraftraubenden, etwa fünfzig Meter langen Rampe, konnte ich mich sogar wieder an die Spitze Kämpfen. Gepuscht von den zahlreichen Zuschauern, ihrem Anfeuerungen und dem lautem Trubel vergaß ich sogar die Durststrecke und der Ehrgeiz presste die Kraft aus den Schenkeln, über die Sohle in die Pedale.

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Es folgte nun eine längere Abfahrt. Jetzt profitierte ich aus meinem Gewicht. Die Kilos drückten mich zusätzlich den Berg hinunter. Mit über 75 km/h konnte ich mich von der Gruppe lösen. Mit der nächsten Gruppe im Blick, kämpfte ich mich immer weiter. Zweihundert, vielleicht zweihundertfünfzig Meter waren aufzuholen um an die nächste Gruppe zu gelangen! Wenn ich mich ihr hätte anschließen können, dann hätte ich wieder Kräfte sparen und mich für die nächsten Kilometer im Windschatten ausruhen können! „Geb alles…!“ Schrie ich mir innerlich zu!

Doch der kommende langgezogener Anstieg und die nun seit über 35km anstehende Durstrecke machten sich bemerkbar. Als Einzelfahrer hatte ich nicht die Kraft gegen den Fahrtwind anzukämpfen. Ich näherte mich zwar der Gruppe, doch ich kam nicht bis in den rettenden Windschatten.

Ich schaute mehrmals zurück. War die Strecke flacher oder ging es etwas abwärts, konnte ich die Distanz zu meinen Verfolgern halten, zog die Strecke wieder an, verringerte sich der Abstand zusehends. An die nächste Gruppe kam ich einfach nicht dran. Langsam verklebte mein Mund, meine Zunge schliff schon fast auf dem Asphalt…

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Durst, jetzt machte sich die Durststrecke bemerkbar. Die Kraft lies spürbar nach! Ich musste den Gedanken, die nächste Gruppe noch erreichen zu können, aufgeben. Die schnurrenden Freilaufnaben meiner Verfolger wurden immer lauter. Meine Verfolger hatten mich wieder eingeholt.

Aus dem Windschatten konnte ich jedoch gleich wieder profitieren. Ich konnte mich im vorderen Drittel der Gruppe halten. Ich fragte ein Mitstreiter nach einem Schluck Wasser. Es war wirklich nur Wasser… Aber es feuchtete wenigstens den Mundraum an. Ein Tropfen auf dem heißem Stein, für den Moment jedoch besser als gar nichts!

Die Beine wurden trotzdem träge. Sie wollten eigentlich nur noch in der brütenden Sonne liegen, anstatt weiter zu treten. Aber ich wollte nicht aufgeben!

Langsam führte uns die Strecke schließlich Stadteinwärts. Laut Tacho sollten es auch nur noch wenige Kilometer sein. Nun wurde es unruhiger in der kämpfenden Meute. Einzelkämpfe gingen im dichten Gedränge los. Ich löste mich seitlich aus der Gruppe, mir war das Sturzrisiko einfach zu hoch!

Trotz alledem hielt ich meine Position. Jetzt kamen die letzten Höhenmeter über die “Deutzer Brücke“. Eigentlich ein nicht nennenswerter Anstieg von wenigen Metern. Wer zu früh in den immer schneller werdenden Endspurt gegangen war, dem fehlten jetzt bei kräftigem Gegenwind auf der Brücke die letzten Körner. Die Gruppe zog sich mit jedem Meter weiter auseinander. Zum Glück! Sonst wäre vielleicht die letzte Kurve, von der Brücke auf die Zielgeraden, für einige zum Verhängnis geworden. Vielleicht auch für mich? Wer weiß das schon!?

Die Kontrahenten gingen teils schon in den Wiegetritt. Ich hielt mich noch zurück, das war mir einfach noch zu früh…

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Die Straße führte etwas ansteigend unter der Brücke durch. Jetzt war es flach und wir hatten vielleicht noch 500 Meter bis zum Ziel… Wiegetritt, tief auf dem Rad, großer Gang! Gepuscht von hunderten Zuschauern… Und mein letzter Plan ging auf. Ich konnte einige Rivalen auf den letzten Metern überholen. Als Einer der Ersten von der Gruppe flog ich förmlich über die Ziellinie!

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Was ein Tag, 60km Durststrecke waren geschafft!

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